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Medizinische Detektivarbeit auf der Suche nach der optimalen Therapie

Medizinische Detektivarbeit auf der Suche nach der optimalen Therapie

Wissenschaftliche Präzisionsmethoden und einen hohen Anspruch an die Medizin haben die Zuhörer beim aktuellen „Forum Medizin“ des St. Josefs-Hospitals gestern in der Stadthalle Cloppenburg erleben können. Beim Auftakt für die monatlich stattfindenden Vortrags- und Fortbildungsveranstaltungen des Cloppenburger Krankenhauses wurde erneut eine Brücke zwischen der Pionierarbeit früherer Jahrhunderte und den Erwartungen an die Medizin der Gegenwart und Zukunft geschlagen.

Beim zweiten Informations- und Vortragsabend mit dem Titel „Forum Medizin“ begrüßte Prof. Dr. Joachim Schrader, Ärztlicher Direktor des St. Josefs-Hospitals, das Publikum zu einer Reise durch verschiedene Epochen und medizinische Fachgebiete. „Der heutige Abend ist eine Einladung zum Gespräch und ein medizinisches Bilderbuch. Wir freuen uns, einen abwechslungsreichen Blick in die faszinierende Welt der Medizin anzubieten“, so der Chefarzt und Initiator der Veranstaltung. Nach dem „Infomarkt“, einer Präsentation der medizinischen Fachbereiche und Zentren des Krankenhauses im Foyer der Stadthalle, luden die Redner des Abends zum Streifzug durch die Medizin.

Dr. Rainer Grove (Chefarzt Kardiologie, St. Josefs-Hospital) verband in seinem Vortrag „Halte aus, Herz!“ die speziellen kardiologischen Schwerpunkte seiner Klinik mit einem augenzwinkernden Blick auf das Herz in der Geschichte, der Kunst und der Literatur. Von der Entdeckung des Blutkreislaufs über die Erfindung des Herzkatheters bis hin zu den komplexen Herzschrittmacher- und Bypass-Therapien der modernen Herzchirurgie wurden Schlaglichter auf aktuelle Behandlungsmethoden geworfen. „Mein Steckenpferd ist die Elektrik des Herzens“, bemerkte der Kardiologe mit Hinweis auf einen seiner Leistungsschwerpunkte, die Spezielle Rhythmologie. Aber auch in der Werbung sei das Herz international zum Leitmotiv und Sympathieträger geworden.

Dr. Boris Baron von Engelhardt (Chefarzt Orthopädie, St. Josefs-Hospital) schilderte detailreich die Volkskrankheit Gelenkarthrose und das breite Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten. Die gestiegene Lebenserwartung der Menschen und die zum Beispiel durch Abnutzung entstandenen Knorpelschäden, so der Chefarzt der orthopädischen Fachklinik, seien der Hauptgrund für den Anstieg der notwendigen Operationen. Eine fortgeschrittene Arthrose bedinge in vielen Fällen den Einsatz eines Kunstgelenks. Hier komme es darauf an, den Patienten so individuell wie möglich und gleichzeitig schonend zu versorgen. Da Standardimplantate die natürliche Biomechanik des Knies häufig nicht zufriedenstellend rekonstruieren könnten, sollte in erster Linie modernen, präzise gefertigten Individualendoprothesen der Vorzug gegeben werden. „Das menschliche Knie ist sehr individuell. Theoretisch könnten Männer ihre Ehefrauen allein am Knie erkennen“, scherzte der Orthopäde. Als weiteren Schwerpunkt stellte der Chefarzt die Fortschritte bei der Kunstgelenkversorgung der Hüfte heraus. Ein Vorteil für den Patienten sei die digitale Vorplanung der Operation zur exakten Bestimmung der Gelenkgeometrie und der optimierten Passform der Prothese.

Prof. Dr. Dr. Michael Schultz von der Universität Göttingen überraschte mit einem ungewöhnlichen Ansatz: Das Fachgebiet der Paläopathologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Krankheiten vergangener Generationen zu erforschen, sie zu klassifizieren und Rückschlüsse auf die körperlichen Leiden in der Menschheitsgeschichte zu ziehen. Das Untersuchungsgut für die Mediziner, die zugleich in archäologischer Mission tätig sind, liefern Skelettfunde, aber auch erhaltene Mumien und Moorleichen. Der international für seine Forschungsergebnisse anerkannte Göttinger Wissenschaftler stellte die hochspezialisierten Methoden der Makro- und Mikroskopie, der Endoskopie, der Röntgenuntersuchung und Computertomographie sowie der Biochemie lebendig und fesselnd vor. Die Zuhörer gewannen so mitunter den Eindruck, als seien die aufwändigen Untersuchungsmethoden und die Forschungsreisen rund um den Erdball geradewegs einem Fernsehfilm entsprungen. Ein eindrucksvolles Fallbeispiel für die Erfolge der Paläopathologie ist zum Beispiel das erste nachgewiesene Prostatakarzinom beim „Fürsten von Arzhan“, einem skythischen Reiterkönig aus einer südrussischen Region an der Grenze zur Mongolei. Anhand der erhaltenen Knochen aus der Zeit um das Jahr 700 v. Chr. war es dem Göttinger Forscher gelungen, stark metastasierenden Krebs nachzuweisen. Ein anderes Beispiel für die medizinisch-archäologische Detektivarbeit des Wissenschaftlers ist das Schicksal eines etwa vierjährigen Jungen aus der Vorzeit der heutigen Türkei, dessen Mangelernährung zu einer Reihe von schweren Infektionen und Folgekrankheiten und zum frühen Tod geführt haben muss. „Kinderskelette sind sensible Gradmesser für den Gesundheitszustand ganzer Populationen“, erläuterte Prof. Schultz mit Verweis auf die hohe Kindersterblichkeit früherer Generationen. Mit einem humorvollen Fingerzeig auf die anwesenden Orthopäden stellte er fest, dass bereits die Alten Germanen verbreitet unter der Arthrose der großen Gelenke gelitten haben müssen. Interessant sei hierbei der im Vergleich zu heute eher seltene Befund der Kniegelenkarthrose, was der Forscher direkt mit dem zur damaligen Zeit besseren Allgemeinzustand der Muskulatur und dem Laufen über weichere Böden in Verbindung brachte. Das Fazit des Gastes aus Göttingen: „Unsere archäologischen Funde sind biohistorische Urkunden, die uns einen Einblick in die Lebensbedingungen der jeweiligen Zeit schenken. Über sie sind wir in der Lage, eine Weltgeschichte der Krankheiten zu schreiben.“

Besondere Aktualität besaß das Thema von Dr. Thomas Möller (Chefarzt Pneumologie, St. Josefs-Hospital), der die Frage nach einer „Rückkehr der Seuchen“ stellte. Die Tuberkulose, auch Schwindsucht genannt, sei nicht nur eine besonders gefürchtete Erkrankung der letzten Jahrhunderte. Auch heute sei etwa ein Drittel der Weltbevölkerung, rund zwei Milliarden Menschen, von der bakteriellen Infektionskrankheit betroffen. Der Cloppenburger Pneumologe verwies auf die großen Defizite der Gesundheitsversorgung in den Entwicklungsländern. Die seit etwa 3.000 Jahren bekannten Pocken mit einer Sterblichkeitsrate von 30 Prozent hingegen seien heute nicht mehr relevant. Neben der wohl bekanntesten Seuche, der Pest mit ihren verschiedenen Ausprägungen, und der erst im vergangenen Jahr zu großer Bekanntheit gelangten Ebola-Erkrankung werde der wohl größte „Killer“ unter den Seuchen gemeinhin unterschätzt. In den Jahren 1918 bis 1920 verstarben weltweit zwischen 25 und 50 Millionen Menschen an der Sonderform einer wahren Jahrhundertseuche: Der Grippe. Um Seuchen besser verstehen und behandeln zu können, so Dr. Möller, seien die Schlüsselfaktoren Hygiene, Forschung, strukturierte Impfprogramme und ein intaktes Gesundheitssystem die zentralen Herausforderungen an die Medizin von heute.

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